Ein Stellenverlust kann für jeden Menschen eine herausfordernde und stressige Erfahrung sein. Für einen IV-Rentner:in kann ein Stellenverlust jedoch besonders belastend sein, da er bereits mit körperlichen oder geistigen Behinderungen zu kämpfen hat. Wie in jedem anderen Arbeitsmarkt auch, kann der Arbeitgeber einer:m IV-Rentner:in im zweiten Arbeitsmarkt aus verschiedenen Gründen kündigen. So kann es sein, dass die:der Arbeitgeber:in nicht mehr genügend Arbeit hat oder dass die:der IV-Rentner:in nicht den Erwartungen der:s Arbeitgeber:in entspricht. Neben der finanziellen Einbusse für den zusätzlichen Lohn zur IV Rente hat eine Kündigung für die:den IV-Rentner:in weitere grosse Auswirkungen auf seine Lebensqualität. Ein Stellenverlust kann zu psychischen Belastungen führen, wie zum Beispiel Depressionen, Angstzuständen oder Gefühlen von Isolation und Enttäuschung. Besonders bei einer:m IV-Rentner:in können sich diese Gefühle verstärken, da sie:er sich möglicherweise aufgrund der Behinderung bereits ausgeschlossen fühlt.

Eine Studie von Karina Brünger und Sonja C. de New aus Deutschland, durchgeführt mit 200 Personen, weist darauf hin, dass der Verlust eines Arbeitsplatzes im zweiten Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen oft nicht nur den Verlust des zusätzlichen Einkommens zur Grundsicherung einer Rente bedeutet, sondern auch den Verlust von sozialen Kontakten und die Herausforderung, eine neue Arbeit zu finden. Dies kann zu einem erhöhten Stress und einem höheren Risiko für psychische Gesundheitsprobleme führen. Die Autoren der Studie empfehlen, dass politische Entscheidungsträger:innen und Arbeitgeber:innen Massnahmen ergreifen sollten, um den Schutz von Menschen mit Behinderungen im Arbeitsmarkt zu verbessern und ihnen die notwendige Unterstützung zu bieten. So können sie den Verlust eines Arbeitsplatzes bewältigen und eine neue Arbeit finden.

Unterstützung im zweiten Arbeitsmarkt: Die Rolle von Sozialpädagog:innen und Ombudsstellen
Neben unentschuldigten langen Absenzen kann auch ein Fehlverhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitenden ein Kündigungsgrund sein. Die Vorgesetzten in geschützten Arbeitsplätzen sind in der Regel Arbeitsagog:innen oder Sozialpädagog:innen. Grössere Institutionen haben zusätzlich Sozialarbeiter:innen, die unterstützend wirken. Selina Hitzler, Sozialpädagogin in einer geschützten Werkstatt in Basel, erklärt, dass bei Fehlverhalten von Mitarbeitenden immer frühzeitig das persönliche Gespräch gesucht wird. Konfliktlösende Gespräche können oft eine Kündigung verhindern, aber in manchen Fällen kann eine Kündigung notwendig sein, um das Arbeitsklima aufrechtzuerhalten. Wenn Ermahnungen und Gespräche wenig bewirken und das Arbeitsklima langfristig darunter leidet, muss auch an die anderen Mitarbeitenden gedacht werden, um sicherzustellen, dass die Arbeitssituation angenehm bleibt. Ist ein:e IV-Rentner:in mit einer Kündigung nicht einverstanden und fühlt sie oder er sich ungerecht behandelt, so besteht die Möglichkeit, sich Hilfe von einer Ombudsstelle wie der IG Prikop zu holen. Die IG Prikop ist eine unabhängige Vermittlungs- und Beschwerdestelle, die in den Kantonen Basel-Stadt und Baselland in Institutionen, die Mitglied des Vereins sind, unterstützend tätig ist. Die Ombudsstelle klärt ab, berät und vermittelt vertraulich und kostenlos. Insgesamt leisten diese Ombudsstellen wie die IG Prikop wichtige Arbeit für betroffene Menschen mit Behinderungen. Dank ihrer Unterstützung und Vermittlung können viele Konflikte gelöst und Kündigungen vermieden werden.

Rentner A.Z. darf weiter arbeiten
Das Beispiel von IV-Rentner A.Z zeigt, was Arbeitnehmende im zweiten Arbeitsmarkt alles unternehmen, um ihre Arbeitsstelle zu behalten. A.Z. arbeitet seit 20 Jahren 80 Prozent in einer Wäscherei und ist für die Sortierung von Textilien zuständig. Er leidet an Schizophrenie und benötigt verschiedene Neuroleptika. Aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen war er in der Vergangenheit öfter längere Zeit abwesend. Symptome seiner Krankheit sind eine innere Unruhe und Aggressivität, die sich im Umgang mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten zeigen.

Dies hat A.Z. bereits an den Rand einer Kündigung gebracht. Einerseits sind die Unruhe und Aggressivität Symptome seiner Krankheit, andererseits sind sie Ausdruck seiner Unzufriedenheit, da er sich bei der Arbeit beispielsweise ungerecht behandelt fühlt. Seine Vorgesetzen haben ihn bereits mehrfach nach Hause geschickt und ihn mehrfach darauf hingewiesen, dass er sein Verhalten ändern muss. Der Arbeitgeber war der Meinung, dass A.Z.s aggressives und unkollegiales Verhalten das Arbeitsumfeld belastet und die Arbeitskolleg:innen verunsichert.

Bis es zu einer mündlichen Ermahnung kam, führten die Vorgesetzten mehrere Gespräche mit A.Z. Heute weiss A.Z., dass er neben privaten Problemen, wie einer Scheidung, auch eine falsche Medikation hatte. A.Z. sagt: "Rückblickend war es vernünftig, dass ich zuerst meine privaten Probleme lösen und eine Anpassung meiner Medikation vornehmen konnte." A.Z. erkennt nun, dass sein aggressives und auffälliges Verhalten am Arbeitsplatz nicht akzeptabel ist. Er erhielt von seinem Arbeitgeber eine letzte Chance und kann unter einem neuen Vorgesetzten und in einem anderen Aufgabengebiet weiterarbeiten. A.Z. ist gegenüber seinem Arbeitgeber dankbar, dass er eine letzte Chance erhalten hat und ist entschlossen, diese Gelegenheit zu nutzen. Durch die transparente Kommunikation mit seinen Vorgesetzten wurde ihm bewusst, dass eine Verhaltensänderung erforderlich ist. Des Weiteren erlernt er in seiner Therapie Techniken zur Verbesserung seiner Selbstkontrolle. Ob A.Z. seine Arbeitsstelle langfristig behalten kann, ist derzeit ungewiss. Im Nachhinein lässt sich aber sagen, dass es für ihn sehr wertvoll war, seinen Psychiater von Anfang an miteinzubeziehen.