Kurz vor 17 Uhr am letzten Freitagabend war es endlich so weit: Die Vorstandspräsidentin von Inclusion Handicap, Verena Kuonen, verkündete mit sichtbarer Freude, dass eine grosse Mehrheit der Delegierten der Unterstützung der Inklusionsinitiative zustimmt. „Unsere Herzen explodieren, gemeinsam werden wir nun in den Kampf gehen. Schritt für Schritt.“ Ein warmer Applaus folgte diesen Worten. Kurz darauf verkündete Stephan Hüsler, Präsident von agile.ch, ein ebenfalls eindeutiges Abstimmungsergebnis. Beide Behindertendachverbände sagen deutlich ja zur finanziellen und praktischen Unterstützung der Initiative, die die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderung in der Bundesverfassung verankern will.

Dieses glanzvolle Resultat ist keineswegs selbstverständlich. Der Abstimmung waren eine mehrstündige Informationsveranstaltung und Debatte über den Sinn der Initiative, den Initiativtext, die Kampagne und die notwendige Finanzierung vorausgegangen: Neben zahlreichen positiven Voten gab es auch kritische Stimmen. „Muss man im Initiativtext erneut die Verhältnismässigkeit erwähnen? Schwächt das nicht unser Anliegen, wenn wir schon zum Voraus unsere Forderungen relativieren?“, fragte beispielsweise ein Mitglied in die Runde. Nationalrat Christian Lohr (Die Mitte) gab zu bedenken, dass eine Initiative nur dann erfolgreich sein könne, wenn die nun anlaufende Kampagne fundiert sei und der Bevölkerung einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen aufzeigen könne. „Ich hätte gerne mehr Einblick in die geplante Kampagne gehabt.“

Für eine gehörige Portion Enthusiasmus sorgten die anwesenden Initiant:innen, allen voran Islam Alijaj. Der Zürcher SP-Gemeinderat und Handicap-Lobbyist sprach von einer Versammlung mit historischem Symbolwert: „Die Zeit ist reif, um das Narrativ des armen, hilflosen Behinderten zu verändern. Wir sind stark und wollen unseren Beitrag in der Gesellschaft leisten können.“ Raphaël de Riedmatten, Geschäftsleiter von agile.ch, brachte ein Gefühl von vielen Menschen mit Behinderung auf den Punkt: „Eine Generation von Behinderten hat es satt zu warten. Vereinigen wir nun unsere Kräfte!“. Auch Markus Schefer, Rechtsprofessor und Mitwirkender am Initiativtext, sprach von einer grossen Chance. Mit der Initiative könne das Thema Behinderung in den kommenden Jahren eine mediale und gesellschaftliche Dauerpräsenz erreichen.

Der nächste Schritt wird nun darin bestehen, dass ein Trägerverein zur Lancierung der Initiative gegründet und ein namhaftes Initiativkomittee zur Einreichung der Initiative formiert wird. Ziel ist, dass noch im Frühling 2023 der Startschuss für die Sammlung der Unterschriften fällt.

Hier gelangen Sie zum Initiativtext.