1 Prozent der Bevölkerung hat Schizophrenie
In der Schweiz lebt rund 1 Prozent der Bevölkerung mit einer Schizophrenie. Die mit der Krankheit einhergehenden Wahnvorstellungen sind meistens gut mit modernen Neuroleptika behandelbar. Das hat dazu geführt, dass viele Betroffene nicht mehr hospitalisiert werden müssen und oftmals ein eigenständiges Leben zu Hause führen können. Doch die weniger bekannten psychischen Einschränkungen, die Negativ-Symptomatik, die mit Antriebsminderung, kognitiven Einschränkungen, Gemütsverflachung und Konzentrationsschwierigkeiten einhergeht, ist schwieriger zu behandeln und führt oft zu Invalidität betreffend der Arbeitsfähigkeit. Zudem haben rund die Hälfte der Schizophrenie-Betroffenen zusätzlich kognitive Behinderungen, die es ihnen ebenfalls teilweise verunmöglichen, auf dem ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten. Ein beachtlicher Anteil der Betroffenen bleibt unter seinem intellektuellen Leistungsniveau. Sie haben beispielsweise Schwierigkeiten, anspruchsvolle Texte zu verstehen. Student:innen müssen oft ihr Studium abbrechen, da sie sich nicht über längere Zeit konzentrieren können.

Auch Menschen mit einer Behinderung möchten eine sinnvolle Arbeit
Besteht eine beschränkte Arbeitsfähigkeit aufgrund psychischer Beeinträchtigung, führt dies nicht selten dazu, dass Betroffene vom ersten auf den zweiten Arbeitsmarkt wechseln müssen. Typische Angebote im zweiten Arbeitsmarkt sind zum Beispiel in Werkstätten, Hauswirtschaft, Gastronomie oder Kreativ-Ateliers. Es gibt jedoch immer wieder Hindernisse geeignete Stellen zu finden, da viele soziale Institutionen auf dem zweiten Arbeitsmarkt nur Stellen ab 50 Prozent anbieten. Für viele Schizophrenie-Betroffene mit eingeschränkter Arbeitsfähigkeit ist das zu viel. Ein Blick in das Stellenportal vom Bürgerspital Basel oder der Gesellschaft für Arbeit und Wohnen in Basel zeigt diesen Missstand, dass viele Arbeitsstellen erst ab 50 Prozent ausgeschrieben sind. Es sind die grössten Stellen-Anbieter für IV-Rentner im Raum Basel. Zwar gibt es auch im Bürgerspital Basel eine Werkstätte mit Pensen unter 50%. Dabei handelt es sich gemäss Auskunft vom Bürgerspital Basel eher um einfache, repetitive Aufgaben wie Reinigungs- oder Verpackungsarbeiten. Betroffene mit höheren intellektuellen Fähigkeiten sind dabei unterfordert. Für alle anderen geschützten Arbeitsstellen im Bürgerspital Basel, wie beispielsweise in der Administration, werden keine Ausnahmen gemacht, für Personen, die weniger als 50 Prozent arbeiten können. Ein Grund ist, dass der administrative Aufwand für Pensen unter 50 Prozent höher ist und dies die Organisation der Stellen komplizierter macht. Auch die Finanzierung der Stellen birgt Nachteile, da die Beiträge des Kantons von den Pensen der Arbeitnehmer:innen abhängen. Das Bürgerspital Basel steht im Austausch mit der Behindertenhilfe und dem Amt für Sozialbeiträge, um die Situation zu verbessern. Menschen mit psychischen Behinderungen würden sich wünschen, wenn die Pensen für alle geschützten Arbeitsplätze der jeweils möglichen Arbeitsbelastung der Arbeitnehmer:innen angepasst würden. Allenfalls bleiben nur kleinere Institutionen übrig, die in Ausnahmefällen auch tiefere Pensen ermöglichen. Oder aber man hat Glück und findet mit Hilfe eine der seltenen Stellen im ersten Arbeitsmarkt.

Neben dem sozialen Abstieg droht eine Arbeit, die einen nicht herausfordert
So erging es dem Schizophrenie-Betroffenen R.S, der nach einigen Tätigkeiten im geschützten Bereich die Hoffnung auf eine interessante Arbeitsstelle beinahe aufgegeben hatte. Auch eine ehrenamtliche Aufgabe ist keine langfristige Alternative für ihn, da er sich nach einigen Wochen Arbeit ohne Lohn ausgenutzt fühlt. Mit Hilfe von privaten Beziehungen hat er schliesslich eine berufliche Herausforderung als stellvertretender Geschäftsführender in einem Bioladen gefunden. Das Pensum liegt unter 50 Prozent und entspricht der aktuellen Belastbarkeit von R.S., wie er sagt. Vor dieser Zeit hatte der ehemalige Bankangestellte einer Schweizer Grossbank mit Abschluss in Wirtschaft nur wenig anspruchsvolle Jobs, unter anderem in einer Werkstatt mit repetitiven, monotonen Aufgaben. Er empfand dies als wenig erfüllend. R.S. sagt, dass sein Selbstwertgefühl oft unter dieser intellektuellen Unterforderung gelitten hat.

Inclusion Handicap, der Dachverband der Behindertenorganisationen, fordert, dass vermehrt Stellen für Menschen mit Behinderungen im ersten Arbeitsmarkt geschaffen werden, da dort die Aufgaben vielfältiger und spannender seien. Dies würde auch der UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen  (UN-BRK) entsprechen, die die Schweiz 2014 unterschrieben hat. Es wäre ein wichtiger Schritt, Menschen mit psychischen Behinderungen eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) sind nur 72 Prozent der Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt aktiv, gegenüber 85 Prozent der Personen ohne Behinderung. Um die Beschäftigungschancen von Menschen mit psychischen Behinderungen zu erhöhen, könnten soziale Unternehmen und Beschäftigungsprogramme gefördert werden, die auf die Bedürfnisse dieser Personengruppe zugeschnitten sind. Dazu gehört auch eine flexible Anpassung der Arbeitszeiten. Dadurch könnten neue Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden.