Während der Frühling zögernd und mit einigen Kapriolen ins Land zieht, locken Grosshändler:innen und Gärtnereien die ersten Kund:innen mit ihrem Pflanzenangebot an: Stiefmütterchen, Nelken, Narzissen und Hyazinthen sind neben Primeln die ersten Verkaufsschlager der Gartenabteilung. Schon bald gefolgt von Geranien und Petunien in allen Farben. Im Garten blühen die bereits im Herbst gesteckten Tulpen ebenso wie die beliebten Forsythien. Was viele nicht wissen: Die stark gezüchteten Blumen haben oft nur einen geringen Wert für unsere Wildbienen. Durch die Züchtung der Arten ist entweder der Nektargehalt geringer, gar nicht mehr vorhanden oder die Blüte ist so „voll“, dass der Nektar für die Insekten nicht mehr zu erreichen ist.

Wildbienen brauchen einheimische Pflanzen

Sebastian Eggenberger von der Fachstelle Natur und Ökologie von Stadtgrün Bern kennt das Problem: „Viele Menschen bedenken nicht, dass es für eine erfolgreiche Förderung von Wildbienen und Insekten ein vielfältiges und langhaltendendes Nahrungsangebot benötigt.“ Dazu können gut bepflanzte Balkone oder Vorgärten mehr beitragen als gemeinhin bekannt. „Das Siedlungsgebiet bildet ein Mosaik aus unterschiedlichen, kleinflächigen Strukturen mit verschiedenen Lebensräumen und Verstecken, die in Landwirtschaftsgebieten heute leider oftmals fehlen. Daher kommen mittlerweile einige Tierarten häufiger in Städten vor als auf dem Land. Je mehr einheimische Pflanzen – sogenannte Wildtypen – sie hier finden, desto besser können sie sich ernähren und fortpflanzen“, erklärt Eggenberger.

Die Taubenskabiose (Scabiosa columbaria) blüht den ganzen Sommer und erfreut zahlreiche Insekten.

Aber wie merkt man, ob man einen echten Wildtypen einer Blume oder Pflanze vor sich hat und keine Züchtung, die primär das Auge freut? Sebastian Eggenberger rät dazu in der Gärtnerei oder in der Gartenabteilung des Supermarktes nachzufragen. Nicht alle Fachmärkte seien aber sensibilisiert für das Thema. Wer es genau wissen will, gibt den lateinischen Namen der Pflanze auf infoflora.ch ein und erhält unter dem Punkt ‚Indigenat‘ eine sofortige Auskunft darüber, ob die Pflanze einheimisch ist. Auch hat die Stadt Bern in ihrem Buch „Natur braucht Stadt“ eine Liste von einheimischen und insektenfreundlichen Pflanzen veröffentlicht, sie ist hier online zu finden. Von Samenbomben und Mischungen speziell für Bienen rät Eggenberger hingegen ab. Diese würden in erster Linie die wenig wählerischen Honigbienen unterstützen, wären aber für Wildbienen meist nicht sehr spannend. Lokal erzeugte Wildblumen-Wiesenmischungen seien hier die beste Lösung.

Auch kleine Flächen sind wichtig

Obschon es Wildbienen gibt, die sich nur von genau einer Pflanzenart ernähren, sind insbesondere die 600 Arten der meist solitär lebenden Wildbienen auf ein vielfältiges Angebot angewiesen, weil fast jede Art ihre spezifischen Ansprüche hat. Sie benötigen dafür nicht zwingend viel Fläche. Auch Balkone können wichtige Verbindungspunkte – sogenannte Trittsteinbiotope – innerhalb eines ganzen Netzwerkes an biodiversen Flächen bilden. Je mehr es von diesen gibt, desto besser können die Wildbienen sich innerhalb eines Gebietes verbreiten.

Blüht genau so schön wie Primeln, ist aber um Einiges besser für Insekten: Das gefleckte Lungenkraut (Pulmonaria officinalis) ist mehrjährig und eignet sich für halbschattige bis schattige Standorte im Garten.

Stadtberner:innen, welche ihren Garten oder Balkon biodivers bepflanzen, können diesen auch auszeichnen lassen. Sie erhalten dann eine Plakette oder einen Wimpel und können andere mit ihrem Engagement inspirieren. Anmeldeschluss dafür ist der 15. Juni 2023, die Kriterien finden sich auf der Website der Stadt Bern.

Lektüre

„Natur braucht Stadt – Berner Praxishandbuch Biodiversität“

Autorinnen: Sabine Tschäppeler, Andrea Haslinger

ISBN: 978-3-033-08444-5

5 Tipps für einen biodiverseren Garten oder Balkon von Sebastian Eggenberger, Projektleiter bei der Fachstelle Natur und Ökologie von Stadtgrün Bern

Schon mit wenig Aufwand kann der eigene Balkon und Garten zu einem vielfältigen Lebensraum für Wildbienen werden

1.       Tipp: Jäte weniger!
Dein Garten muss deswegen nicht komplett verwildert aussehen, es reicht, wenn du gewisse Ecken definierst, die du stehen und wachsen lässt. Wird ein Bereich des Rasens nicht mehr als dreimal jährlich gemäht, kann da eine wertvolle Blumenwiese entstehen. Diese ist ein wichtiger Lebensraum für diverse Insekten und Kleintiere. Einzig invasive Arten wie das Einjährige Berufkraut (Erigeron annuus) oder die Nordamerikanischen Goldruten (Solidago spp.) gilt es dabei konsequent zu entfernen.

2.       Tipp: Vermeide Pestizide, Mähroboter und Laubbläser
Alle diese Hilfsmittel zerstören Lebensräume und verhindern Vielfalt im Garten. Viele Schädlinge können durch einen biodiversen Garten in Schach gehalten werden. Blattläuse, beispielsweise, können bei starkem Befall eine Pflanze stark schwächen. Marienkäfer können die Blattläuse aber in Zaum halten. Gerade die Marienkäferlarven sind effiziente Fressfeinde der Läuse. Viele Pestizide schaden aber auch den Marienkäfern und Laubbläser entfernen das wertvolle Laub, in dem die Insekten überwintern könnten.

3.       Tipp: Schaffe unterschiedliche Nahrungsquellen
Wichtiger als das Aufstellen von Wildbienenhotels ist es, ein breites Futterangebot für Wildbienen zur Verfügung zu stellen. Sebastian Eggenberger von der Fachstelle Natur und Ökologie von Stadtgrün Bern rät auch hier zu Vielfalt: Unterschiedliche Wildbienen benötigen unterschiedliche Nahrungspflanzen, welche möglichst auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten blühen sollten, damit die Bienen ein durchgängiges Nahrungsangebot haben. Beispiele für standorttypische Wildpflanzen kannst du den Artenlisten auf der städtischen Webseite entnehmen.

4.       Tipp: Pflanze einheimische Wildpflanzen
Frage in deiner Gärtnerei nach einheimischen Wildpflanzen. Vielerorts werden gezüchtete Sorten verkauft, die nur einen geringen Wert für die Biodiversität aufweisen. Sei kritisch und frage nach, welche Arten verkauft werden, denn je grösser die Nachfrage nach standorttypischen Wildpflanzen, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Angebot gewisser Anbieter überdacht wird.  Etwas einfacher ist es, wenn du eine Gärtnerei oder einen Markt findest, die auf einheimische Sorten spezialisiert sind. Es gibt in der ganzen Schweiz wiederkehrende Wildpflanzenmärkte, beispielsweise der Wildpflanzenmärit der Stadt Bern, der dieses Jahr am 26. April stattfindet. Dort bieten lokale Produzenten eine grosse Auswahl einheimischer Wildpflanzen an.

5.       Tipp: Lass dich nicht abhalten von Misserfolgen
Denke langfristig, ein Lebensraum benötigt oft Jahre um aufgebaut zu werden. Auf dem Weg zu einem biodiverseren Garten oder Balkon gibt es auch Misserfolgserlebnisse: Eine Pflanze stirbt ab, weil vielleicht die Bodenbedingungen nicht stimmen oder Nisthilfen bleiben ungenutzt. Dazu Sebastian Eggenberger: „Es ist manchmal schwer im Voraus abzuschätzen, welche Angebote angenommen werden und welche nicht.. Manche Nistkästen hängen über Jahre leer, wovon man sich aber nicht abschrecken lassen sollte. Solange das Angebot vorhanden ist, besteht die Möglichkeit, dass es genutzt wird. Verschwindet aber das Angebot, ist klar, dass ein Tier, das auf eine Nisthilfe angewiesen ist, nie dort nisten wird.“