Brigitte Bächtold. Bildnachweis: Michael Waser
Krimis und historische Romane zählen zu den liebsten Buchgenres von Brigitte Bächtold. «Manchmal darf es auch ein Psychothriller sein, aber ohne allzu blutrünstige Szenen», fügt sie hinzu. Diese Bücher lese sie in Brailleschrift. «Wenn ich abends von der Arbeit nach Hause komme, setze ich mich oft hin und lese.»
Die gross gewachsene, 59-jährige Frau, die in der Stadt Zürich wohnt, spaziert und wandert auch gerne. Stets dabei ist ihr Blindenführhund Kaito. Einmal wöchentlich schwingt sie zusammen mit ihrem Tanzpartner das Tanzbein.
Die bewegungsfreudige Lehrerin unterrichtet Brailleschrift beim Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverband SBV. Bächtold unterstützt Erwachsene, die mit einer Erblindung rechnen müssen, und die Braille lesen lernen wollen.
Bächtold setzt sich im Alltag dafür ein, nicht auf ihr Blindsein reduziert zu werden. Einmal habe sie beim Einkaufen in einem Geschäft gehört, wie eine Verkaufsmitarbeiterin zu einer anderen gesagt hat: «Die Blinde ist da!» Daraufhin habe sie die Chefin der betreffenden Filiale angerufen und darauf hingewiesen, dass sie nicht so bezeichnet werden möchte. Denn dass sie nichts sehe, sei nur ein Teil ihres Lebens. «Ich brauche vielleicht Unterstützung, und ich falle auf mit meinem Hund», erläutert Bächtold.
Brigitte Bächtold beim Lesen. Bildnachweis: Michael Waser
« Ich möchte als Mensch wie alle anderen gesehen werden. »
Für Bächtold bedeutet Selbstbestimmung, dass sie sowohl Ja als auch Nein sagen darf und dass dies respektiert wird. So werde sie etwa am Bahnhof regelmässig gefragt, ob sie Hilfe brauche. Lehne sie diese freundlich dankend ab, weil sie gerade auf jemanden warte oder etwas alleine machen wolle, reagierten manche irritiert oder gar beleidigt. «Es könnte ja sein, dass ich froh wäre über das Angebot», sagt Bächtold. Aber sie findet es genauso wichtig, dass ihr Nein einfach akzeptiert werde.
« Wir Menschen, die nicht sehen, müssen uns immer wieder outen und erklären. »
Sie bringt ein Beispiel: An einem Kanu-Wochenende, das vom Blindenbund organisiert wurde, habe sie entdeckt, wie viel Freude ihr das Kanufahren bereite. Daraufhin habe sie einen Kanu-Klub in Zürich kontaktiert. Da habe sie zuerst begründen müssen, warum sie Kanu fahren möchte ohne etwas zu sehen.
Die Reaktion der Tanzschule hingegen hat Bächtold gefreut. Als sie sich dort gemeldet und informiert habe, dass sie nichts sehe, habe die Lehrerin sie gefragt: «Wieso sagst du das überhaupt?» Inzwischen lebt sie ihre Freude am Tanzen bereits seit über drei Jahren aus.
« Das wäre für mich echte Inklusion, wenn wir uns so selbstverständlich wie alle anderen zum Mitmachen melden können, und die Sehfähigkeit dabei keine Rolle spielt. »
Brigitte Bächtold. Bildnachweis: Michael Waser