Bildquelle: Verein Humusation

Bei der neuartigen Bestattungsform werden den Leichen pflanzliche Materialien zugefügt, die Mikroorganismen enthalten, welche die Körper zersetzen und zu Humus umwandeln. Damit können Blumen, Beete oder Bäume gedüngt werden.

Hinter dieser Bestattungsmethode steckt der Gedanke, die Umwelt auch nach dem eigenen Tod zu schonen. Denn bei der heute immer stärker verbreiteten Feuerbestattung wird besonders viel CO2 ausgestossen. Bei der Erdbestattung werden die Leichen in einem Sarg zwei Meter tief in die Erde begraben, weshalb die Zersetzung lange dauert. Hinzu kommt, dass vieles, was mit den Leichen zusammen begraben wird, sich gar nicht, oder nur schwer zersetzt. Dazu gehören etwa Herzschrittmacher, Pumpen und andere technische Geräte, aber auch Kleidung und Sarginnenpolsterungen aus synthetischen Materialien sowie bestimmte Holzarten, aus denen Särge geschreinert werden. All dies schädige den Boden, sagt Vincent Varlet. Der Mediziner ist Leiter des Schweizerischen Instituts für forensische Taphonomie (SHIFT) der Universität Lausanne.

Hinter der Kompostierung von Leichen als alternative Bestattungsart sehen viele auch einen Kreislauf, bei dem die menschlichen Überreste als Dünger dazu beitragen, neues Leben entstehen zu lassen.

Reerdigung – das beschleunigte Verfahren

Eine Methode, Leichen zu kompostieren, ist die Reerdigung. Bei dieser wird der Leichnam in einen Behälter, genannt „Kokon“, „Wabe“ oder „Biokiste“, eingeschlossen. Dieser enthält pflanzliche Substanzen mit Mikroorganismen. Eine Öffnung im Behälter sorgt für die Zufuhr von Sauerstoff, der für den Zersetzungsvorgang gebraucht wird. Dabei kann die Innentemperatur des Behälters bis zu 70° betragen. Auf diese Weise entsteht aus dem toten Körper innerhalb von nur etwa 40 Tagen Humus. Die Reerdigung wird wegen der Schnelligkeit der Zersetzung auch als beschleunigte Kompostierung von Leichen bezeichnet. 

In einigen amerikanischen Bundesstaaten ist die Reerdigung als Alternative zur Erd- und Feuergestattung zugelassen. In Mölln, in Schleswig-Holstein, Deutschland, bietet die Firma „Meine Erde“ seit 2022 die Reerdigung an. Im Mai eröffnet sie in Kiel einen zweiten Standort.

Fehlende wissenschaftliche Untersuchungen

Die Reerdigung wird von deutschen Rechtsmedizinern kritisiert. In der Fachzeitschrift „Archiv für Kriminologie“ vom September 2022 bemängeln sie, dass es bei dieser Methode an Transparenz und wissenschaftlichen Analysen fehle. Die Autoren fordern detaillierte Angaben zu den Substanzen, die in den Leichenbehältern zum Einsatz kommen. Ebenso seien Details zum ganzen Vorgang mit der Innentemperatur sowie der Luftzug und -abfuhr bekanntzugeben. Auch sei zu untersuchen, ob beim Prozess irgendwelche Schadstoffe entstehen, vor denen das mit der Reerdigung beschäftigte Personal und die Umwelt geschützt werden müssten.

Dem hält „Meine Erde“ entgegen, dass in den geschlossenen „Kokons“ während der Reerdigung bei Temperaturen von bis zu 70° an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen die Rückstände von Arzneimitteln, Antibiotika und Chemotherapeutika so weit reduziert werden, dass sie die Umwelt nicht mehr schädigen. Das habe man mit einer Laboruntersuchung durch ein unabhängiges Labor belegen können.   

Skepsis gegen die fehlende Forschung gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz. So räumt etwa Adrian Hauser, Präsident der Deutschschweizer Sektion des Verbands der Bestattungsdienste, ein: „Wissenschaftliche Grundlagen über ein Pro und Contra für unsere Umwelt sind nach meinem Wissen noch nicht vorhanden.“

Das Kompostieren von Leichen wird neue, ökologische Bestattungsart, vorgestellt. Bei dieser zersetzen pflanzliche Substanzen, die Mikroorganismen enthalten, die Leichen und wandeln sie zu Humus um. Damit können Blumen, Beete oder Bäume gedüngt werden.

„Humusation“ als langsamere Alternative

Dem im August 2021 gegründeten Verein „Humusation“ ist die Reerdigung zu technisch und zu wenig ökologisch, weil für den Zersetzungsprozess in den Behältern zusätzliche Energie aufgewendet wird, und der Kontakt zum Naturboden fehlt. Er plädiert für eine grüne Bestattungspraxis, die er „Humusation“ nennt. Darin sieht der Verein einen sanfteren und nachhaltigeren Prozess, Leichen zu Humus umwandeln zu lassen. Anders als bei der Reerdigung würden die Leichen in einem dafür abgeriegeltem Wald- und Gartenbereich bestattet und es würden ihnen pflanzliche und humifizierungsfördernde Substanzen wie Schnittholz, zerkleinerte Braunkohle, Stroh und Grasschnitt beigegeben. Nach der Verwesung des Körpers werden die biologisch nicht abbaubare Materialien wie Metallprothesen entfernt. Für die vollständige Humifizierung rechnet der Verein mit einer Dauer von etwa 12 Monaten.

Gemeinden zeigen Interesse

Der forensische Experte Vincent Varlet sagt, dass die Kantone des Welschlands regelmässig von der Bevölkerung und der Politik auf die Humusation angesprochen werden. Er arbeite mit den Akteur:innen aus der Bevölkerung und der Politik zusammen. Die Westschweizer Kantone hätten ein Gesuch bekommen, um die Erforschung der Humusation zu bewilligen. Die Antwort steht laut Varlet noch aus. Er hofft auf positive Reaktionen, damit er und sein Team mit der Forschungstätigkeit starten können.

Sarah Joliat, Präsidentin vom Verein „Humusation“ erklärt: „Um die ‚Humusation‘ in der Schweiz legalisieren zu können, müssen wir zuerst beweisen, dass sie funktioniert. Danach können Gesetzesänderungen in den kantonalen und kommunalen Bestattungsordnungen angestossen werden.“ Einige Westschweizer Gemeinden hätten bereits Interesse an dieser alternativen Bestattungsform gezeigt, darunter auch die Stadt Genf.   

Auch wenn der Weg noch lang ist, zeigt sich Adrian Hauser von den Bestattungsdiensten optimistisch: „Ich bin überzeugt, dass wir uns dem Fortschritt in der Schweiz nicht verschliessen werden und alle neuen Angebote genau prüfen. Sollten sie sich mit der Umwelt besser vertragen als eine Kremation oder Erdbestattung, werden die Kompostierungsmethoden auch in der Schweiz angeboten.“ Und er fügt hinzu: „Da die Schweiz im Umgang mit Neuerungen vor allem im Bereich des Todes sehr liberal ist, kann ich mir gut vorstellen, dass diese Bestattungsform bewilligt wird.“

Mit dem Bestehen eines Vereins und dem Interesse der Mitglieder der forensischen Taphonomie-Abteilung, die „Humusation“ wissenschaftlich zu untersuchen, ist die Schweiz der alternativen Bestattungsart ein Stück nähergekommen.