Schwarzweissfotografie eines Mannes. Es ist Philipp Kutter. Der Bildausschnitt zeigt die Augen- Nasen- und Mundpartie. Die Schärfe liegt auf der rechten Gesichtshälfte. Philipp schaut in die Kamera. Er hat kurze, graue Haare und einen Bart. Bildnachweis: Michael Waser

Philipp Kutter. Bildnachweis: Michael Waser

Dass Philipp Kutter nur wenige Monate nach seinem schweren Skiunfall für eine erneute Wahl ins eidgenössische Parlament in den Wahlkampf zog, war eine Sensation. Mit überzeugender Kommunikation, sympathischem Auftreten, einem Leistungsausweis als langjähriger Stadtpräsident von Wädenswil und als Nationalrat, gelang es ihm im Oktober 2023, souverän wiedergewählt zu werden. 

Mittlerweile hat der 48-jährige Kutter zwei Sessionen als Politiker mit Behinderung im Bundeshaus erlebt und ist auch als Stadtpräsident wieder zurück im Alltag. Es habe sich zu einem gewissen Grad eine neue Normalität etabliert, sagt er. Und doch:

« Noch immer erlebe ich viele Dinge zum ersten Mal als Mensch mit Behinderung. Die Abläufe sind noch nicht alle automatisiert. »

Philipp Kutter, Stadtpräsident Wädenswil, Nationalrat

Der Alltag halte weiterhin Überraschungen bereit, sei herausfordernd. Vor allem am Morgen zum Aufstehen und am Abend benötige er deutlich mehr Zeit als früher und erhalte dafür Hilfe von der Spitex. Auch das Reisen im öffentlichen Verkehr sei mit sehr viel mehr Zeitaufwand und Organisation verbunden. Hier sieht sich der Präsident der Verkehrskommission des Nationalrates in der Pflicht, an einer Veränderung mitzuwirken:

« Die Verbesserung der Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr ist ein zentraler Aspekt, wenn es um Behindertenpolitik geht. »

Philipp Kutter, Stadtpräsident Wädenswil, Nationalrat

Dazu beitragen könnte auch eine Revision des Behindertengleichstellungsgesetzes BehiG. Der vom Bundesrat vorgelegte Revisionsentwurf überzeugt ihn aber noch nicht: «Aus meiner Sicht ist der Entwurf mutlos.» Er teilt damit die Einschätzung von Behindertenrechtsaktivist:innen und Behindertenorganisationen, welche den Entwurf ebenfalls als ungenügend und zu wenig tiefgreifend bewerten.

Schwarzweissaufnahme eines Mannes. Es ist Philipp Kutter. Er sitzt in einem Rollstuhl und schaut zur Kamera. Philipp trägt einen dunklen Anzug mit Krawatte und Einstecktuch. Er hat seine Hände im Schoss aufeinander gelegt. Die Aufnahme ist im inneren eines Gebäudes entstanden. Im Hintergrund sind hohe verzierte Wände mit Bogen zu sehen. Der Marmorboden hat ein geometrisches Muster. Bildnachweis: Michael Waser

Philipp Kutter. Bildnachweis: Michael Waser

Philipp Kutter erhofft sich für die Zukunft Rückenwind von der Inklusionsinitiative. Diese will die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und das Recht auf Assistenz auf Verfassungsebene verankern. Neben einem besseren Schutz vor Diskriminierung könnte sie generell neuen Schwung in die nationale Behindertenpolitik bringen. Der Mitte-Politiker zeigt sich zuversichtlich, dass die 100'000 Unterschriften bis zum Herbst gesammelt werden können. Und es blitzt eine ordentliche Portion Kampfeslust in ihm auf als er nachschiebt: «Auf die Debatte im Nationalrat freue ich mich jetzt schon.»

Der Vater von zwei Töchtern sieht sich in der privilegierten Situation eines gut vernetzten Parlamentariers, der auch privat Hilfeleistungen erhält, unter anderem von seiner Frau. Eine von der Invalidenversicherung bezahlte Assistenz im Berufsalltag erhält er nicht. Menschen, die aufgrund eines Unfalls behindert sind, sind von Assistenzleistungen der IV ausgeschlossen. Für Kutters berufliche Tätigkeit sind aber funktionierende Unterstützungssysteme zwingend.

« Mit Unterstützung kann ich beruflich und politisch gut tätig sein. Ohne geht es überhaupt nicht. »

Philipp Kutter, Stadtpräsident Wädenswil, Nationalrat

An die Assistenzleistungen während den Sessionstagen leistet der Bund einen Beitrag. Die Assistenz für seine Tätigkeit als Stadtpräsident finanziert er hingegen selbst.

Philipp Kutter hat bereits kurz nach seinem Unfall offensiv und breit kommuniziert, wie es ihm geht. Drei Tage nach dem Unfall postete er das erste Mal aus dem Krankenbett eine Message auf Social Media. Es habe in seinem Fall viel Informationsbedarf gegeben, die Leute hätten wissen wollen, wie es ihm gehe und welche Auswirkungen der Unfall auf seine politische Tätigkeit habe. «Insbesondere die Menschen in Wädenswil hatten viele Fragen», sagt Kutter. Diese Offenheit bereut er nicht: «In meinem Fall war das die richtige Entscheidung. Ich habe dadurch viel Zuspruch und Hilfsbereitschaft erfahren.»

Schwarzweissportät eines Mannes. Es ist Philipp Kutter. Der Bildausschnitt zeigt seinen Kopf und einen Teil seines Oberkörpers. Er trägt einen dunklen Anzug und eine dunkle Krawatte sowie ein Einstecktuch in der rechten Brusttasche. Philipp hat kurze, graue Haare und einen Bart. Bildnachweis: Michael Waser

Philipp Kutter. Bildnachweis: Michael Waser