Konrad Stockar, Sonia Roche, Andrea Emmenegger. Cie BewegGrund Pez y Pescado 2007. Foto: Oliver Dähler.
Am Anfang stand die Idee, einen Tanz-Workshop für Menschen mit und ohne körperliche Behinderung anzubieten. Dieser fand am Rande der Tanztage in Bern 1997 erstmals statt. Noch kaum jemand kannte damals den Begriff der Inklusion im Sinn von gesellschaftlicher Teilhabe für Menschen mit Behinderungen.
Die Behindertenrechtskonvention der UNO zum Beispiel sollte erst Jahre später, 2006, verabschiedet werden. Erstaunlicherweise tauchten schon zum allerersten Workshop fünfzig Personen auf! Die neue Idee wurde ein derart grosser Erfolg, dass der Workshop im nächsten Jahr wieder stattfand. Die Teilnehmenden waren so begeistert, dass sie 1998 den Verein Beweggrund gründeten, mit dem Ziel, regelmässig zu tanzen und später ein eigenes Tanzfestival von und für Menschen mit Behinderungen aufzubauen. Der Durchführungsort war bereits gegeben, nämlich die Dampfzentrale in Bern - von ihrem Ursprung in den 80ern her offen für Neues, Ungesagtes, Unerhörtes, Ungewagtes.
Was brauchte es noch, ausser der zündenden Idee und dem idealen Ort?
Kreative, begeisterte Menschen, erfüllt von der Inklusions-Idee und von ihrer Leidenschaft für den Tanz. Zu diesen engagierten Menschen gehören seit den Ursprüngen die künstlerische Leiterin Susanne Schneider und das Vorstandsmitglied Konrad Stokar, der eine körperliche Behinderung hat und früher selbst aktiv mittanzte.
<Susanne Schneider ist mit ihrer sanften Beharrlichkeit die treibende Kraft hinter BewegGrund> sagt Konrad Stokar im Gespräch. Im Jahr 2022 wurde Susanne Schneider als Pionierin der Inklusion und mit ihr zusammen BewegGrund mit dem Schweizer Preis für Darstellende Künste des Bundesamtes für Kultur erhalten. Anerkennung von höchster Stelle also.
Finanziell unterstützend kam ab 2007 die Migros mit IntegrART dazu, der Abteilung des Migros-Kulturprozents zur Förderung inklusiver Bühnenkunst. IntegrART vernetzt und finanziert die Festivals BewegGrund in Bern, Wildwuchs in Basel, Out of the Box in Genf sowie ORME in Lugano. Zu den langjährigen Förderern von BewegGrund gehört auch die Stiftung Pro Helvetia, für die BewegGrund zu einem Bestandteil der Schweizer Kultur geworden ist. Wie ist das für ein Inklusions-Projekt möglich? Konrad Stokar meint dazu:
« BewegGrund schafft hochstehende künstlerische Produktionen im Bereich des inklusiven Tanzes und greift damit immer wieder nach den Sternen. »
Mirjam Gasser, Präsidentin Verein BewegGrund und Susanne Schneider, Foto: Jonas Kambli.
Konrad Stokar, 57 Jahre jung, beruflich tätig für die Vereinigung Cerebral Schweiz, erzählt von seiner ganz persönlichen BewegGrund-Geschichte. «Es gibt nicht viel Anderes in meinem Leben neben BewegGrund, das ich während einem Vierteljahrhundert mit so viel Begeisterung gemacht habe.»
<Beweggrund hat mein ganzes Leben geprägt.>
<Ich habe viele tiefe Freundschaften geschlossen, bin mit Beweggrund in der Schweiz, aber auch in Deutschland, in Norwegen und in Spanien auf Tournee gewesen. Zudem nahm ich an Workshops in England und in den USA teil. Last but not least habe ich an einem Workshop in Österreich meine Frau kennengelernt.>, erzählt Stokar.
BewegGrund machte auch nicht Halt bei der Inklusion von Menschen mit kognitiven Behinderungen.
Mit der Tanzgruppe Danza Mobile aus Sevilla, die Menschen mit kognitiven Behinderungen zu professionellen Tänzerinnen und Tänzern ausbildet, hat sich vor über 15 Jahren eine fruchtbare, freundschaftliche Zusammenarbeit ergeben, die bis heute andauert. Inzwischen ist BewegGrund global unterwegs und unter anderem in Südafrika, in Polen und in Russland aufgetreten. Dazu kamen Online-Workshops, so etwa in Shanghai.
Von Anfang an waren Menschen mit und ohne Behinderungen auf allen Ebenen für Beweggrund engagiert im Einsatz.
Sie sind immer und überall dabei, bringen sich ein und gestalten mit. BewegGrund ist echte, gelebte Inklusion. Ganz selbstverständlich, bei der Entstehung, heute und in Zukunft.