Billig, schnelllebig, synthetisch. Waschen im 30-Grad-Kurzprogramm, Bügeln entfällt.  Höchstens eine Saison lang tragen und wegwerfen: Das ist Fast Fashion. Schnell landet sie im Abfall. Oft sogar, bevor sie gekauft wurde. Als Kollateralschaden der textilen Überproduktion. Sie belastet die Umwelt extrem: 35  Prozent  des Microplastiks, der in den Weltmeeren landet, stammt aus synthetischen Textilien.

Vergiftete Geschenke

Kleiderspenden in die Entwicklungsländer sind passé. Die Entwicklungsländer nehmen keine Altkleider-Spenden mehr an, denn sie sind laut Greenpeace „vergiftete Geschenke“. Die Menschen in den Entwicklungsländern haben jetzt ebenfalls synthetische Kleidung. Neuware. Die ist erschwinglich, selbst für die dortige arme Bevölkerung. Wohin also mit den gebrauchten Textilien, die wir alle nach wie vor eifrig sammeln, um uns selber die Abfallgebühren zu ersparen?

Einige Entwicklungsländer nehmen zwar die Altkleider entgegen, aber nicht als Kleiderspende, sondern zur Entsorgung als Sondermüll. Denn synthetische Kleidung ist Petrochemie zum Anziehen. Unkontrolliert landet der textile Giftmüll auf illegalen Deponien. Toxische Stoffe gelangen ins Grundwasser. So kann es nicht weitergehen.

Textil-Upcycling als Alternative

Hipster machten Second-Hand-Kleidung zum Trend. Daraus entwickelt sich jetzt eine neue Strömung: das Upcycling von Second-Hand-Textilien. Im Gegensatz zum Re-cycling, dem einfachen Wiederverwenden von Gebrauchtware, bedeutet Up-cycling deren Umarbeitung und Aufwertung. So wird jedes Stück zum exklusiven Einzelstück.

Die Schweizer Textilkünstlerin Theres Zindel ist eine Vertreter:in dieser neuen Form des Sich-Kleidens. Aus dem Dörflein Hängelen bei Hindelbank kommt Theres Zindel. Dort lebt sie in einem alten Bauernhaus.  «Ich bin der Zindel-Punk aus Hindelbank», beschreibt sie sich scherzhaft. Ihre Kunst hat viele Formen: Fotografie, sprach-akrobatische Slams, und vor allem Zeichnen und Malen.

Wie fand sie zum Textil-Upcycling? Zindel erzählt: «Irgendwann hatte ich zu Hause keine Wand mehr frei für meine Bilder. Darum fing ich an, Kunst zum Anziehen zu machen.» Zindels Scheune überbordet mit Second-Hand-Textilien zur Weiterverarbeitung. Die Stoffe findet sie meist auf der Strasse, «gratis zum mitnehmen». Sie mag die Stoffe gerne bunt, bedruckt. Ein bisschen Glitzer darf auch sein. «Stilmässig bin ich eine Hippie-Punk-Bar-Rockerin.»

Die Inspiration für ihre Kreationen holt Zindel aus der Natur, mit der sie auf fast magische Weise verbunden scheint. «Ich bin ein Hexli. Aber ein ganz liebes.»  sagt sie denn auch über sich selbst.

Fliegenpilze, Schmetterlinge, Pflanzen- und Tierfell-Muster in allen Variationen; sticken, stricken, häkeln, bemalen, oft in Schichtenwerk übereinander: So entstehen Zindels unverwechselbare Einzelstücke. Unzählige Details leiten von der Makro-Ebene, dem ganzen Kleidungsstück, in die Mikroebene der Pilze, Farne und Insekten, die sie darauf stickt.

Ein besonderes Detail am Mantel: Der Schmetterling.

Für Goa-Parties kreiert sie psychedelische Outfits. Solche, die reflektieren, schimmern, glitzern und leuchten. Die liebevolle Ironie in den Darstellungen lassen Betrachter:innen innehalten und schmunzeln. Ein Gespräch darüber ergibt sich so von selbst. «Meine Kunst ist öffentlich sichtbar. Ich bin nicht auf Galerien angewiesen.»

Das pinke Shirt ist ein besonderes Detail im Kleiderschrank von Theres Zindel.

Zindel hat immer mehrere Stücke gleichzeitig in Arbeit.  «Ich lebe Kunst 24/7. Vom Aufstehen am Morgen bis spät in die Nacht, ich muss einfach immer Kunst machen. Ich kann gar nicht anders», meint sie, während sie eine Hibiskus-Blüte auf eine  Jeans stickt. 

Eine Hibiskusblüte, für einmal aus Stoff.

Kein Modetrend, sondern Philosophie

Für Künstler:innen wie Theres Zindel ist Textil-Upcycling ist viel mehr als Mode. Es ist eine Kunstform jenseits von Konsum und Kommerz. Es ist eine Grundeinstellung, ein Sich-Bekennen zu Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und Konsumkritik.

Lokale Upcycling-Fashion-Designer:innen eröffnen nun erste Läden in den Szenequartieren von Basel, Bern und Zürich. Auch online gibt es schon Vertriebs-Kollektive. Zu deren Konzept gehört untrennbar die Anleitung zum DIY, zum Selbermachen also. In Kursen können Ungeübte sich Inspiration holen und Techniken aneignen. So eröffnen sich Möglichkeiten, die eigene Kreativität zu entdecken und in öffentlich sichtbare Kunst umzusetzen.

Textil-Upcycling wagt somit die Kehrtwendung zurück in die Zukunft: weg von der uniformen Massenware, hin zur individuellen Eigenkreation. Weg von toxischer Wegwerf-Kleidung, hin zur textilen Kunstform.