Der Kanton Zürich ist der erste Kanton in der Schweiz, der einen Aktionsplan zur Umsetzung der UNO-BRK initiiert hat. Darin vorgesehen ist eine jährliche Partizipationskonferenz, wo Menschen mit Behinderungen und Vertreter:innen der Verwaltung sich über den aktuellen Stand der Umsetzung informieren und austauschen.

Die Reporter:innen ohne Barrieren widmen dem Anlass eine 3-teilige Serie. In dieser dritten Folge widmen wir uns der diesjährigen Konferenz. Wie funktioniert diese? Ist ein Dialog auf Augenhöhe zwischen Verwaltung und Menschen mit Behinderungen tatsächlich möglich? Und wo steht der Kanton Zürich mit der Umsetzung der UN-BRK?

Die Partizipationskonferenz an diesem regnerischen 24. Oktober ist gut besucht. Die Total 90 Personen, allesamt Vertreter:innen von Kanton, Gemeinden und Menschen mit Behinderungen, füllen den Pfarreisaal der Liebfrauenkirche. Schon zu Beginn wird klar: Nicht nur der Inhalt, sondern der ganze Rahmen dieses Anlasses ist stark inklusiv geprägt. Die Begrüssung durch Andrea Lübberstedt, Chefin des kantonalen Sozialamts, darf als Zeichen gewertet werden, dass die UN-BRK im Kanton nicht nur ein Randphänomen sein soll, sondern Gewicht hat. Die Moderation findet teilweise in Gebärdensprache statt und das „Mach-Theater“, eine divers zusammengestellte Truppe, empfängt und bewirtet die Gäste.

Menschen mit Behinderungen sind an diesem Anlass vielfältig vorhanden, sowohl als Expert:innen am Rednerpult als auch als Teilnehmende. Aber auch die Vertreter:innen von Kanton und Gemeinden bringen Erfahrungen aus unterschiedlichsten Aufgabengebieten und Direktionen mit. Da ist zum Beispiel ein Mitglied des kantonalen Polizeikorps oder die Kulturverantwortliche einer Zürcher Gemeinde unter den Teilnehmenden, ebenso ein Verkehrsplaner und ein Mitarbeiter des Immobilienamtes sowie viele andere mehr. Daran lässt sich erkennen, dass die Umsetzung der UN-BRK eine Querschnittaufgabe ist, die sehr viele Bereiche in Kanton und Gemeinden betrifft. Die Teilnehmenden werden bei Ankunft in Sitzgruppen zugeteilt.

Teilnehmende der Partizipationskonferenz im Austausch. (Bildquelle: Philip Böni)

Am Nachmittag in den Workshops geht es etwa um die Frage, wie sich Menschen mit möglichst unterschiedlichen Behinderungen und Bedürfnissen in den Partizipationsprozess einbeziehen liessen. „Welches sind denn die Behinderungsarten, mit denen wir uns noch nicht so gut auskennen?“ fragt ein Verkehrsplaner und Gesprächsleiter einer Workshopgruppe. Und Thea Mauchle, Präsidentin der Behindertenkonferenz Kanton Zürich BKZ, hängt ein: „Wir reden immer von Sichtbarmachen. Es gibt aber Menschen mit einer äusserlich nicht sichtbaren Behinderung. Hier ist aus meiner Sicht Kommunikation wichtig. Ich wünschte mir, Menschen mit unsichtbarer Behinderung dürften in unserer Gesellschaft klarer formulieren, welche Bedürfnisse sie haben, ohne gleich Vorurteile zu erfahren“.

Derweil feilt eine andere Gruppe schon an möglichen Lösungswegen. Eine Person aus der Verwaltung schlägt vor, bei kantonalen Projekten in Zukunft eine obligatorische Frage in den Prozess einzubauen: „Haben wir alle Behinderungen involviert?“ In einer anderen Gruppe geht es darum, dass sich Angestellte der Verwaltung manchmal schwertun, Menschen mit Behinderung zu finden, die für einen Einbezug in ein Projekt zur Verfügung stehen. Angeregte Diskussionen entstehen im ganzen Saal. Die erarbeiteten Anregungen gehen an die Behindertenkonferenz, die Verwaltung und die kantonale Koordinationsstelle für Behindertenrechte.

Zuvor gibt Brian McGowan einen Einblick in die noch laufende Evaluation des Aktionsplanes und der Partizipation. McGowan ist Teil eines Teams der ZHAW, das die Umsetzung der UNO-BRK im Kanton wissenschaftlich untersucht. Dieses hat die Massnahmenverantwortlichen (siehe Infobox) des Kantons und die Menschen mit Behinderung von „Partizipation Kanton Zürich“ (siehe Infobox) befragt und dabei herausgefunden, dass es noch nicht überall gleichermassen gut läuft. „Der Stellenwert der Massnahmen ist nicht bei allen Verantwortlichen gleich hoch, wir sehen eine grosse Bandbreite“ erklärt McGowan. Einige verfügten über genügend Ressourcen für die Umsetzung, würden gar neue Stellen schaffen. Andere gäben an, dass kaum zeitliche und finanzielle Mittel vorhanden seien, um sich sorgfältig darum zu kümmern. „Wir haben auch mehrmals gehört, dass die einzelnen Massnahmen im Aktionsplan sehr breit formuliert seien. Mitunter fällt es den Zuständigen schwer, daraus konkrete Aktivitäten abzuleiten“, berichtet McGowan.

« Der Stellenwert der Massnahmen ist nicht bei allen Verantwortlichen gleich hoch, wir sehen eine grosse Bandbreite »

Brian McGowan, Teammitglied ZHAW

Ähnliche Rückmeldungen hat McGowan in den Interviews mit Mitgliedern von „Partizipation Kanton Zürich“ erhalten. Die Vertreter:innen von Menschen mit Behinderungen zeigten sich grundsätzlich sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie der Kanton die UNO-BRK umsetze, sähen im Kanton gar einen Vorreiter. Es habe aber auch Kritik gegeben: „Man wünscht sich künftig eine bessere Information und mehr Kommunikation über die konkreten Aktivitäten und Massnahmen“.

Martina Schweizer, Geschäftsleiterin der Behindertenkonferenz, betont in ihrem Votum am Ende der Konferenz die Wechselseitigkeit des Prozesses. „Es braucht eine verstehende Haltung vonseiten des Kantons, dies erwarten wir. Gleichzeitig müssen auch wir verstehen, dass die Verwaltung gewisse Prozesse hat. Das heisst etwa, dass wir, wenn etwas nicht sofort geht, das nicht als ein Ich-Will-Nicht interpretieren, sondern unsere Anliegen dennoch weiterverfolgen und gemeinsam mit der Verwaltung beharrlich bleiben.“

Partizipation Kanton Zürich

Ist ein Mitwirkungsmodell, bei welchem Menschen mit unterschiedlichen Formen von Behinderungen bei der Umsetzung des Aktionsplanes mitwirken können. In 7 Arbeitsgruppen und einer Steuergruppe erarbeiten die Mitwirkenden Positionen, formulieren ihre Anliegen und überprüfen die Umsetzung des Aktionsplanes.

Massnahmeverantwortliche

Es gibt in jeder Direktion des Kantons Mitarbeitende, welche für die Umsetzung der einzelnen Massnahmen des Aktionsplanes zuständig sind. Sie beziehen bei der Planung und der Durchführung von Aktivitäten und Projekten wann immer möglich Menschen mit Behinderung mit ein.